Es war einer dieser Abende, an denen man eigentlich schon im Pyjama steckt, sich aber denkt: „Ach komm, das Paket bringe ich noch schnell nach St. Gallen.“ Gesagt, getan. Rein in den quietschgelben Renault 5, 70% Batterieanzeige (naja, 225 km laut Bordcomputer), ein Paket im Kofferraum, das so gross war wie die Erinnerungen an all die guten Renault Sport Produkte – und los ging’s. Was dann folgte, war eine Testfahrt, wie sie realistischer nicht sein könnte.



Doch beginnen wir von vorne. Der neue R5 ist Retro im Look, aber frisch im Fahrgefühl, so wie eine Schallplatte mit Bluetooth-Modul. Was der MINI einst für die britische Frechheit war, will der neue Renault R5 nun für die französische Leichtigkeit sein: frech, rotzig, retro. Kein betuliches Öko-Wägelchen mit grünem Zeigefinger wie einst die Zoé oder der Twingo Electric, sondern ein charmanter Rebell. Und er fährt sich tatsächlich wie ein kleiner Revoluzzer.

Die Stadt ist sein Revier (oder wie ging das – ihr wisst schon, RTL, Donnerstag-Abend, 20:15 Uhr): Elegant, flink, dabei nie zu forsch, eher wie ein Franzose, der charmant Platz macht, bevor er sich mit einem „Pardon!“ wieder vordrängelt. Direkt, lebendig, verspielt. Der kurze Radstand und die unmittelbare Gasannahme sorgen für echtes und „leichtes“ Fahrvergnügen, ohne permanente Angst vor einem Führerscheinentzug oder hohen Bussen. Statt Zahlen zu schinden, will der R5 Herzen gewinnen. Und das gelingt ihm. Très bien, Renault.






Auf der Landstrasse sieht es etwas anders aus. Dort lässt der kleine R5 bewusst viel Raum für seine bald zu uns kommende Schwester Alpine A290 GT(S). Warum? Ganz einfach: Weil er wohl nicht darf. Kein Zerren am Lenkrad, kein Durchdrehen des kurveninneren Rades, kein giftiges Herausbeschleunigen. Stattdessen gibt sich der kleine R5 auf der Landstrasse zurückhaltend, fast brav.
Als wolle er mit seinen 150 Pferden niemandem auf den Schlips treten. Denn sonst, man stelle sich das vor, könnte Françoise, 62 Jahre alt, auf dem Weg zum Coiffeur von Grimaud nach St. Tropez, plötzlich erschrecken. Das will niemand. Also bleibt der Renault gesittet. Brav. Berechenbar. In Zahlen heisst das: 150 PS (110 kW), 8,0 Sekunden auf 100 und 245 Nm Drehmoment.



Was schade ist, denn das Fahrwerk hätte eigentlich mehr drauf und macht noch mehr Lust auf die Alpine Version. Die Lenkung ist angenehm leicht, der Schwerpunkt schön tief, das Fahrzeuggewicht bleibt unter 1,5 Tonnen – das sind ideale Voraussetzungen für eine knackige Landstrassenrunde. Aber der Gasbefehl am Kurvenausgang wird in Watte gepackt.
Doch vielleicht ist genau das sein Plan: Du sollst ihn mögen, nicht fürchten. Mit ihm flanieren, nicht rasen. Und verdammt – das funktioniert! Seit Jahren hat uns kein Auto, geschweige denn ein Elektroauto, derart viele Sympathien und interessierte Begegnungen eingebracht. Der kleine Stromer ist ein Magnet auf Rädern. Egal ob beim Einkaufen, vor der heimischen Garage oder an der Ampel, überall fliegen dem R5 die Herzen zu wie früher den Boybands in den 90ern.

Selbst die skeptischen Rentnerpaare, die sonst nur auf ihren Golf Plus schwören, bleiben stehen, schauen, nicken – und fragen: „So einen hatten wir früher auch. Ist der wieder mit Stockschaltung?“ Nein, immer noch ein echter Charaktertyp, aber mit Ladeanschluss und das ist gut so.

Wer sich ins Cockpit des neuen R5 setzt, taucht in das gelungene Zusammenspiel aus Retrocharme und cleverem Hightech ein. Das Armaturenbrett etwa, eine zweiflutig-versenkte Displayeinheit. Vor dem Fahrer ein 10-Zoll-Digitalcockpit, das nicht nur gestochen scharf, sondern auch cool jugendlich animiert ist.
Kein nüchterner Zahlenblock, sondern poppige Farben, runde Kanten und verspielte Typografie. Renault zeigt hier Mut zur Form – endlich! Die Geschwindigkeit erscheint in knalligen Buchstaben, das Fahrzeugmodell in 3D zeigt sogar exakt die gewählte Lackfarbe. Die Materialwahl ist für die Preiskategorie überdurchschnittlich, als Beispiel dazu das belederte Armaturenbrett mit genähter gelber Kontrastnaht, die Verarbeitung solide.







In der Mitte: Ein weiterer 10-Zoll-Screen, natürlich mit OpenR Link und eingebautem Google. Maps, Sprachsteuerung, Spotify – natürlich auch CarPlay. Vor dem Beifahrer prangt in der elegante „Renault 5“-Schriftzug, dezent hinterleuchtet. Ein bisschen Paris bei Nacht, ein bisschen OLED-Glamour aus dem Bastlerkeller der 80er. Dazu kommen Lüftungsdüsen, die nicht einfach nur Lüftungsdüsen sind. Sie imitieren die Lichtsignatur der Frontscheinwerfer auf – ein kleines, aber wirkungsvolles Detail, das zeigt: Hier hat jemand mit Liebe zum Produkt gearbeitet. Und das merkt man auch beim Rest.
Bestes Beispiel? Die Lichtsignatur und die Ladestandsanzeige auf der Motorhaube: Wenn man sich dem R5 nähert, zwinkern einem die Frontscheinwerfer zu – kein Witz. Zwei pupillenartige LED-Augen, die kurz aufleuchten, als würden sie sagen: „Salut, allez on y va!“ Und ja, es wirkt. Nicht kitschig, sondern charmant.

Wo früher das Lufthutzen-Gitter des Originals auf der Motorhabe war, sitzt heute eine LED-Ladeanzeige in Retro-Optik. Ein subtiler Hinweis, dass hier jemand das Auto nicht nur für Excel-Tabellen, sondern mit echtem Herzblut entworfen hat. Unnötig, aber unwiederstehlich.
„Es braucht genau solche Fahrzeuge, damit Elektromobilität mehr wird als nur Reichweite und Ladezeit.“
Denn bei aller Technokratie, die das Thema E-Mobilität oft mit sich bringt, erinnert der neue R5 daran, worum es eigentlich gehen sollte: Emotion. Verbindung. Charakter. Kein Tool, sondern ein Begleiter. Einer, der dir zuzwinkert, der dich willkommen heisst und der dich zum Grinsen bringt, noch bevor du eingestiegen bist.




Bleibt die Frage nach der Reichweite. Unser Testwagen war die Version mit grosser Batterie – also 52 kWh netto und Alltagswerten von rund 18-20 kWh auf 100 km. Das ergibt eine ehrliche Reichweite von etwa 260–300 km, je nach Lust, Laune und Fahrstil.
Und ja, es gab diesen Moment mit 2 % Restakku. Denn was bei 80–100 km/h noch harmonisch und effizient durch die Nacht summt, kippt jenseits der 110 km/h dramatisch. Der Verbrauch schnellt schon bei 125 km/h nach oben wie die Energiepreise wenn Wladi den Grössenwahn packt und plötzlich beginnt man zu rechnen. 184 km Gesamtroute, 225 km Reichweite.
Hingefahren im Comfortmodus bei 80 / 100 / 120 km/h – wie es die Schweizer Strassen halt zulassen. Angekommen, Paket ausgeladen, direkt wieder rein und die Route kalkuliert. 92 km und eine Prognose: Ankunft mit -5 %. Klingt nach mathematischem Selbstmord, wurde aber zur Zen-Meditation auf Rädern. Ich schlich erst im Eco-Modus (Fahrzeug ist limitiert auf 110 km/h) und später mit 84 km/h im Windschatten eines LKW, als wär’s das Qualifying von Le Mans.




Die Temporeduktion und die Topografie sind mir etwas entgegengekommen, so dass ich sogar mal bei 3% kalkuliertem Rest war, worauf jedoch der LKW abbog, so dass ich wieder alleine durch die stille Nacht bangen musste. 10 km von daheim entfernt war die Kalkulation auf -2% Reichweite bei Zielankunft.
Zuletzt ist die Restreichweite im Tacho verschwunden und drei Balken haben die Hoffnung nicht gerade erhöht. Die letzten Kilometer waren ein Mix aus „Bitte keine Umleitungen“, Schweissperlen und der Hoffnung, dass Renault irgendwo heimlich ein paar Extra-Elektronen in den Akku geschmuggelt hat. Gerne und oft kam ein „Bitte laden“ im Display. Kein Drama, keine Power-Einschränkung. Einfach eine nüchterne Ansage, fast schon französisch stoisch.
Und dann, endlich: Zuhause. Noch 2 %. Mon Dieu, das war knapp. Aber es zeigt auch, was der kleine Franzose kann. nämlich ziemlich genau kalkulieren. Keine Panikmache, keine Fantasiezahlen. Die Anzeige ist realistisch, ehrlich, unaufgeregt. Genau das, was man will, wenn man mal wieder mehr Optimismus als Strom getankt hat.



Ladetechnisch übrigens solide: Mit bis zu 11 kW AC ist er in rund 4,5 Stunden wieder voll, ideal für den Alltag. Und wenn’s mal schneller gehen muss: 100 kW am DC-Schnelllader. Kein Bestwert, aber ehrlich gesagt: auch nicht wichtig. Der Renault R5 ist kein Langstrecken-Bolide, sondern ein City-Flitzer oder wie meine Co-Redaktoren kommentiert haben: Ein UHU-Auto – im Schweizerdeutschen: „Ums-Huus-ume“.
Die Ladeplanung über Google Maps funktioniert dabei zuverlässig und ist ein echter Vorteil gegenüber Systemen ohne native Navigation. Kein veralteten nativen Herstellerkarten, keine Drittanbieter-Apps – einfach Ziel eingeben und laden lassen. Wer ein bisschen vorausschauend fährt, hat keinen Stress. Nur sollte man eben nicht mit 2 % quer durch die Ostschweiz gondeln – das war dann doch etwas mutig.
Technisch basiert der neue R5 auf der AmpR Small Plattform (vormals CMF-B EV), die eigens für Elektroautos optimiert wurde. Der Radstand ist mit 2,54 Metern zwar kurz, aber clever genutzt. Der Akku liegt flach im Fahrzeugboden, besteht aus 4 statt 12 Modulen (Gewichtsersparnis!) und sorgt für einen niedrigen Schwerpunkt. Erwähnenswert: Die Wärmepumpe ist serienmässig dabei, das spart Energie an kalten Tagen.


Was bleibt also?
Der neue Renault 5 ist ein charmantes, clever gemachtes Stadtauto mit echtem Sympathiebonus und toller Preis/Leistung. Er punktet mit Design, Alltagstauglichkeit und einer Portion Retro-Flair, mit tollen technischen Akzenten. Wer entspannt und stilvoll unterwegs sein will, wird ihn lieben. Für alle sportlich Ambitionierten lohnt es sich hingegen, auf unseren kommenden Test der Alpine A290 zu warten.
Unser Verbrauch lag im Schnitt bei 19.3 kWh. Der Basispreis beginnt bei CHF 33’900 CHF, der Testwagenpreis lag bei 36’200 CHF.
Der Elektrosportwagen.ch-Konfigurationstipp:
Aussenfarbe Yellow Pop, Dach in Starry Black, 18-Alufelgen „Techno-R5“
Weitere Impressionen:



















Déjà-vu: Ja, tatsächlich, ein gelber R5 war mein allererstes Auto. Gekauft von einer Freundin aus dem Tennisclub. Er hat mich sogar bis in die Bretagne gebracht, wo er die Luft seiner französischen Brüder schnuppern durfte.
Wenn es die ganze Nacht geregnet hatte, wollte er, weil ich ihm leider keine Garage spendieren konnte, manchmal nicht oder nur nach einer kräftigen Portion Starthilfespray anspringen.
Mit ihm habe ich die gefährlichste Situation meines inzwischen schon langen Autofahrer-Lebens erlebt. Im Winter lag in einer Schwarzwald-Kurve, in der es zudem steil abwärts ging, schmierig-seifiger Schneematsch. Der R5 rutschte traktionslos auf die Gegenfahrbahn und den Abhang zu, der sich dort auftat. Glück 1: Kein Gegenverkehr. Glück 2: Der R5 traf mit dem rechten Kotflügel genau auf einen einzelnen stehenden Baum, der das Auto abfing und vor dem Sturz in die Tiefe bewahrte. Glück 3: Fünf Minuten später kam ein Freund aus demselben Dorf vorbei, in dem ich wohnte. Zusammen konnten wir den R5 wieder auf die Fahrbahn bugsieren. Auf eigener Achse kam ich körperlich unversehrt zu Hause an. Weil das Geld für einen Originalkotflügel fehlte, montierte mein Freund Mike kurzerhand einen blauen Kotflügel, den er noch von seinem blauen R5 übrig hatte. Dass der Rahmen verzogen war, ignorierten wir. Noch viele Jahre lang fuhr ich mit mulmigem Gefühl an der Stelle mit dem rettenden Baum vorbei…
Vielleicht sollte ich mir aus später Dankbarkeit den modernen, elektrifizierten Kollegen des R5 von damals zulegen. Und für ein Auto zur Aus- bzw. Einlieferung von Paketen hat er ja die perfekte Farbe…
Lieber Klaus,
Genau so war’s halt früher: Die Autos hatten Macken, aber sie hatten auch Charakter. Und manchmal eben auch blaue Kotflügel statt Originalteile, weil’s halt nicht anders ging, aber trotzdem passte. Dass dein gelber R5 dich bis in die Bretagne gebracht hat (und wieder zurück!), ist herrlich symbolisch. Französischer konnte ein Roadtrip kaum sein – und wahrscheinlich hat er sich dort tatsächlich unter Brüdern gefühlt. Und dann diese Kurve im Schwarzwald. Allein beim Lesen rutscht man gedanklich mit. Was für ein Glücksfall, dass der Baum da stand und dass fünf Minuten später ein Freund vorbeikam, der auch noch helfen konnte. Solche Geschichten schreibt nur das echte Leben.
Vielleicht ist der neue R5 genau deshalb so reizvoll: Er will gar kein perfekter Technik-Guru sein, sondern einfach wieder ein echter Begleiter. Charmant, clever, manchmal ein bisschen verspielt aber eben mit Seele. Danke dir fürs Teilen – das war mehr als nur ein Kommentar. Das war ein kleiner, ehrlicher Rückblick aufs Autofahren, wie’s mal war und warum wir’s heute vielleicht wieder ein bisschen mehr so wollen.
Was ich ganz besonders an den Geschichten, die das Leben schreibt, schätze: dass der zur Verfügung stehende Fundus begrenzt ist und jede einzelne Episode dadurch einen ganz besonderen Stellenwert erhält. Erinnerungs-Preziosen könnte man das auch nennen.
Die Erinnerungen mehrerer Personen ergeben dann eine automobile Zeitchronik.