Es ist einer dieser klaren Sonntage, an denen der Asphalt noch kühl ist, aber die Sonne schon mit ersten Strahlen um die Ecke schielt. Der MG Cyberster steht vor mir, rotes Leder, offen, vollgeladen und bereit. Die Flügeltüren öffnen sich mit einem elektrischen Surren und plötzlich wirkt dieser kleine Zweisitzer wie eine Mischung aus Iron Man und klassischem Roadster. Ein Roadster, vollelektrisch? Wird das gut kommen? Rein und in Richtung Schwarzwald!
Was ist der MG Cyberster eigentlich?
Ein elektrischer Roadster aus China mit britischen Wurzeln, gebaut auf einer reinen Elektroplattform, mit 510 PS, Allradantrieb und 77-kWh-Batterie. Zwei Türen, zwei Sitze, Stoffverdeck, knapp 4,5 Meter lang, 7-Jahre-Herstellergarantie und ein Preis, der alles andere als elitär klingt: rund 68’000 Franken für die Topversion mit Allrad.
MG, einst britische Ikone, wurde nach jahrzehntelangem Dornröschenschlaf von den Chinesen bei SAIC neu belebt und bringt nun ausgerechnet das auf den Markt, was sich bisher niemand gewagt hat: einen offenen Zweisitzer mit Elektropower.



Wie fährt sich der MG Cyberster GT auf der Landstrasse?
Bevor man das beantworten kann, lohnt sich ein kurzer Blick auf die Gattung selbst. Ein Roadster war nie ein Auto für die Vernunft. Schon in den 1950ern bauten Marken wie MG, Triumph oder Austin-Healey zweisitzige, leichte Sportwagen, die eigentlich nur ein Ziel kannten: Fahrspass. Kein Platz, kein Komfort, kein Wetterschutz – nur du, der Motor und der Wind. In Italien hiess das „Spider“, bei Porsche „Speedster“. Doch das Roadster-Prinzip blieb: Offen, zweisitzig, flach, direkt, ehrlich.
Genau dieses Gefühl versucht der MG Cyberster in die elektrische Gegenwart zu übersetzen. Gelingt das? Ja! Erste positive Überraschung ist das Fahrwerk. Ähnlich wie in einer Alpine A110 findet man soft-ansprechende und nicht-härteverstellbare Dämpfer, die ein schönes Carving zulassen. Die Bremsen haben einen guten Biss und einen schönen Übergang von Rekuperation zu effektiver mechanischer Verzögerung. Der Druckpunkt bleibt auch bei wiederholtem, kräftigem Anbremsen stabil, was dem Vertrauen in schnellen Passagen zugutekommt.

Das unten abgeflachte Lenkrad liegt hervorragend in der Hand und vermittelt auf Anhieb ein sportliches Gefühl. Die Lenkung selbst ist direkt genug, um Landstrassen präzise zu schneiden, aber nicht hypersensibel. Im „Supersport“-Modus legt sie an Gewicht zu, ohne künstlich zu wirken – angenehm neutral, ohne den typischen Gummiband-Effekt vieler E-Autos.
Was auffällt: Die Vorderachse hat ordentlich Grip, aber sie arbeitet nicht messerscharf wie in einem Boxster oder Alpine. Sie folgt willig der Lenkung, aber ohne dieses feinmechanische Feedback, das man aus echten Leichtgewichten kennt. In schnell gefahrenen Kurven spürt man die Masse – die Vorderreifen müssen viel arbeiten, bevor sie leicht über die Nase schieben. Es ist kein Untersteuern im klassischen Sinn, eher ein sanftes Weggleiten, das man früh spürt und gut kontrollieren kann.
Auf unruhigen Abschnitten zeigt der Cyberster seine Kehrseite. Über zwei Tonnen inklusive Batterie – und das spürt man. Trifft er in schnell gefahrenen Kurven auf Unebenheiten oder Bodenwellen, beginnt sich das Chassis spürbar aufzuschaukeln. Die Karosserie wippt quer zur Fahrtrichtung, manchmal sogar so stark, dass sich das Heck leicht versetzt.

Das ist kein Komfortproblem, sondern ein fahrdynamisches. Die Dämpfung wirkt an der Hinterachse zu weich abgestimmt, wodurch sich die Batterie bei schnellen Lastwechseln wie eine träge Masse verhält. Wer also auf Landstrassen mit rhythmischen Bodenwellen unterwegs ist, bekommt Momente, in denen sich der Wagen „nachwippt“, bevor er sich wieder stabilisiert. Das ist nicht gefährlich, aber unangenehm – vor allem, wenn man das leichte, präzise Ansprechverhalten erwartet, das das Design verspricht.
Und selbst wenn man das bewusst provoziert, ganz zum Tanzen bekommt man ihn nicht. Der Schwerpunkt liegt tief, das Auto ist schwer und neutral, fast zu neutral. Die E-Motoren reagieren blitzschnell, aber ohne echte Sperrwirkung oder Torque Vectoring fehlt das letzte Quäntchen Verspieltheit. Ein leichter Heckschwenk lässt sich kaum provozieren und wirkt gegen das Naturell vom Fahrzeug. Man merkt: Der Cyberster ist mehr Cruiser als Corner-Carver. Charmant, aber fühlt sich wohler bei 7/10 als bei 9/10.

Dann der Moment am Ortsausgang. Der Schwarzwald liegt vor uns – 50 auf 100, kurz Pedal halb durch. Der Cyberster katapultiert sich nach vorn, ohne Wheelspin, ohne Drama, einfach pure Traktion. 510 PS und 725 Nm schieben an, als gäbe es keine Masse. Der Sprint auf 100? 3,2 Sekunden. Doch wichtiger ist, wie er es tut: linear, sanft, kontrolliert. Kein Ruck, kein Schlag, nur Beschleunigung, wunderbar fein dosierbar.
Der Sound bleibt dezent. Es gibt künstliche Fahrgeräusche, ja, aber sie sind subtil. Keine Science-Fiction-Kulisse, sondern ein leichtes Summen. Aber wurscht: Offen gefahren ist das Fahrgefühl sowieso fast meditativ. Man hört den Fahrtwind, die Vögel, die Reifen auf dem Asphalt. Es ist Autofahren in Reinform – reduziert, aber intensiv.

Wie steht es um das Design?
Das Design ist vielleicht die grösste Überraschung dieses Autos. Während viele Marken versuchen, Lautstärke mit Charakter zu verwechseln, vertraut MG auf eine Mischung aus klassischem Roadster und gewagten Details.
Die Proportionen stimmen: lange Haube, kurzes Heck, tiefes „Greenhouse“, also die gesamte Glas- und Dachkonstruktion. Beim Cyberster wirkt sie überraschend geschlossen. Die Windschutzscheibe steht relativ steil, die Seitenscheiben reichen hoch, und selbst offen gefahren fühlt man sich eher „im“ als „auf“ dem Auto. MG hat das bewusst so gestaltet: Die Türlinie verläuft hoch, um die Crashstruktur und Batteriemasse zu integrieren. Das Resultat ist ein Roadster mit Touring-Charakter – weniger Luft, mehr Ruhe. Für Vielfahrer und Alltagsnutzer ein Plus, für Puristen – naja, die fahren eh keinen Elektro-Roadster..


Die Front wirkt freundlich, die Heckleuchten wollen subtil an den Union Jack erinnern und die Scherentüren verleihen ihm genau das Quäntchen Spektakel, das man braucht oder eben nicht..
Offen erinnert der Cyberster an eine Mischung aus Jaguar F-Type und Mazda MX-5 – aber mit einem Schuss Zukunft. Das Stoffverdeck ist perfekt integriert, öffnet und schliesst in 15 Sekunden, funktioniert auch bei 50 km/h. Keine Windverwirbelungen, keine Klappergeräusche.
Und vor allem: Er wirkt eigenständig. Nicht wie ein E-Auto, das besonders wild gezeichnet ist, sondern wie ein Sportwagen, der zufällig elektrisch fährt.




Wie präsentiert sich der Innenraum?
Setzt man sich hinein, fühlt sich alles überraschend hochwertig an. Die roten Akzente, das gestickte MG-Logo, viel Microfaser, viel „frosted“ Carbon-Optik, die sauber verarbeiteten Nähte – hier hat man sich Mühe gegeben. Die Sitze bieten guten Seitenhalt, die Position ist leider schon deutlich höher als bei klassischen Roadstern, aber die Sitze sind sehr angenehm.
Das Cockpit ist futuristisch: drei Displays, gebogen um den Fahrer, fast wie im Flugzeug. Das linke für Geschwindigkeit, das mittlere für Navigation und Fahrmodi, das rechte optional für Beifahrerinformationen. Das sieht fantastisch aus – funktioniert aber nicht immer perfekt. Die Menüs sind teils verschachtelt, manche Eingaben brauchen eine Sekunde zu lange und das Lenkrad verdeckt jeweils die Sicht auf einen Teil des linken und rechten Displays.
Beim Materialmix zeigt sich, wo MG noch lernt. Viel Kunstleder, das gut aussieht, aber früh glänzt. Die Mittelkonsole zieht Fingerabdrücke magisch an und bei direkter Sonne sieht man jede Spur. Es ist der typische Spagat eines aufstrebenden Herstellers: visuell top, haptisch noch nicht auf Premium-Niveau.
Dafür überzeugt das Bose-Soundsystem mit sattem, warmem Klang und die vielfältigen Ablagemöglichkeiten. Hinter den Sitzen, grosse Becherhalter, grosszügige Mittelarmlehne. Gefällt!







Wie fährt der Cyberster auf der deutschen Autobahn?
Das ist der Punkt, an dem man den GT im Cyberster spürt. Der Cyberster fährt stabil, souverän und erstaunlich leise. Trotz Stoffverdeck bleibt das Geräuschniveau moderat, selbst bei 130 km/h. Die Dämpfung arbeitet weich, aber nicht schwammig, die Spurtreue ist beeindruckend.
Die 510 PS stehen jederzeit bereit, aber man merkt: Das Auto will nicht rasen, es will gleiten. Das Gewicht hilft hier, es sorgt für Ruhe und Balance. Nur auf welligen Abschnitten merkt man die Masse, ein leichtes Nachfedern, das aber hier weniger stört als auf der Landstrasse.
Mit 200 km/h abgeriegelt ist der MG kein Autobahnjäger, aber ist halt schon „cringe“, wenn man 510 PS hat, aber der Hilti-Passat an einem vorbeizieht..

Wie schlägt er sich im Alltag?
Überraschend praktisch. Mit knapp 250 Litern Kofferraumvolumen und einem kleinen Frunk vorne ist genug Platz für Wochenendgepäck. Die Rundumsicht ist ordentlich, die Assistenzsysteme (Spurhalteassistent, adaptiver Tempomat, 360°-Kamera) arbeiten sauber, wenn auch teils mit leichter Verzögerung.
Was beeindruckt: Der Cyberster fährt sich mühelos. Kein Einsteigen und Sortieren, kein „zurecht konfigurieren“, sondern rein und einfach los. Meistens reicht der „Comfort“ Modus, sonst schnell auf „Supersport“ und dann ist man 1A aufgehoben. Einfach fahren. Offen cruisen, einlenken, spüren. Genau so, wie ein Roadster sein sollte.
Die Assistenzsysteme sind zwar vorhanden, aber lassen sich leider im Supersport-Modus nicht aktivieren. In den anderen Fahrmodi sind sie relativ digital, besonders Spurhalteassistent und Abstandhaltetempomat – aber ehrlich: Viele Roadster haben weder noch, selbst in 2025. Positiv fällt die 360-Grad-Kamera auf. Glasklares Bild, logische Ansichtswahl, sehr hilfreich beim Rangieren. Auch der Totwinkelassistent arbeitet präzise.

Wie weit kommt man – und wie schnell lädt er?
Die 77-kWh-Batterie (netto 74,4 kWh) erlaubt laut WLTP bis zu 433 Kilometer. In der Praxis sind es zwischen 350 und 400 Kilometer, bei ruhiger Fahrt durchaus realistisch.
Der Verbrauch pendelt sich zwischen 18 und 21 kWh ein, ein guter Wert angesichts der Leistung und des offenen Aufbaus. Wenn man es richtig fliegen lässt, schafft man auch Reichweiten von unter 200 km, aber dann ist man sehr bemüht und arbeitet hart für eine zügigere Pause an der Steckdose.
Beim Laden gibt es wenig Überraschungen. 11 kW AC zu Hause, 150 kW DC an der Schnellladesäule. DC könnte schneller sein, denkt man an einen Roadtrip im Roadster – da wären 250+kW schon wünschenswert.

Testfazit: Was bleibt nach einem ausführlichen Test mit dem MG Cyberster AWD XPower?
Der MG Cyberster AWD XPower ist nicht perfekt, aber er ist da. Tesla und Porsche sind weiterhin zögerlich. 2020, 2022 nun vielleicht 2026? Phaa! MG liefert und das mit einem 7-Jahre-Werksgarantie-Paket und zu einem heissen Preis. Er ist der erste Elektrosportwagen, der uns offen am Sonntag-Morgen in den Schwarzwald entführen liess, eine OneMoreLap elektrisch und oben-ohne drehen liess und am Nachmittag über die Solaranlage kostenlos wieder vollgeladen hat – meine ursprüngliche Vision, die ich für Elektrosportwagen.ch hatte. Elektrisch, emotional, zugänglich.
Er erinnert an jene kleinen, britischen Klassiker, die man nicht wegen ihrer Performance liebte, sondern wegen ihrer Persönlichkeit. Autos, die mehr über Emotion als über Effizienz funktionierten. Genau das gelingt ihm: Er kompensiert seine Mängel mit Charakter.
Die Flügeltüren? Unnötig, aber irgendwie freaky und witzig – wie ein unerwarteter Partytrick, der dich trotzdem jedes Mal zum Schmunzeln bringt. Der Cyberster will nicht allen gefallen, und das macht ihn sympathisch. Von uns ein ganz klarer Kauftipp und von der Marke MG werden wir in der Zukunft noch sehr viel lesen. Versprochen!
Unser Verbrauch lag im Schnitt bei 20.3 kWh. Der Basispreis für die AWD Variante beginnt bei CHF 67’990 CHF, der Testwagenpreis lag bei 69’290 CHF.
Der Elektrosportwagen.ch-Konfigurationstipp:
Aussenfarbe Irises Cyan, Verdeckfarbe Schwarz, Innenraum Grey Performance
⚡ Technische Daten – MG Cyberster GT AWD
Technische Daten | MG Cyberster GT (AWD) |
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Leistung | 375 kW (510 PS) |
Drehmoment | 725 Nm |
0–100 km/h | 3,2 s |
Top Speed | 200 km/h (elektronisch abgeregelt) |
Batteriekapazität | 77 kWh brutto / 74,4 kWh netto |
Verbrauch (Test) | 18–21 kWh / 100 km |
Reichweite (WLTP) | bis zu 433 km |
Ladeleistung | 11 kW AC / 150 kW DC |
Ladezeit (10–80 %) | ca. 25 min (DC) |
Gewicht | ca. 2’080 kg |
Preis Schweiz | ab CHF 67’990 |
Kofferraumvolumen | 249 l hinten / kleiner Frunk vorne |
Weitere Impressionen:
















