Ist das Tesla Model 3 Performance mit seinem diesjährigen “2024er” Facelift der Mittelklasse-Elektrosportwagen, auf den wir alle gewartet haben? Vorab gesagt: Ja – das ist es. Warum? Das erkläre ich euch jetzt.
Los geht’s mit dem ersten Eindruck: Die Farbe Stealth Grey macht was ihr Name sagt – unscheinbar und absolut seriös mit einem leichten Anflug von, “Mach mich besser nicht wütend”. Die tiefgezogene Frontschürze, ein aggressiver Diffusor am Heck und ein dezenter Carbon-Heckspoiler zeigen dem Kenner, dass hier keine graue Maus, sondern ein Stealth-Performance-Elektrosportler steht. Reinsetzen, starten – oder besser gesagt: Die Drive-Schaltfläche auf dem Bildschirm von P nach D “swipen”. Das minimalistische Interieur hat in der Highland-Version ein sehr willkommenes Upgrade bekommen: bessere Materialien, Sportsitze mit ordentlich Seitenhalt und ein Carbon-Dekor, das tatsächlich nach Premium aussieht. Die Winterreifen schlucken Unebenheiten brav, während die adaptive Federung alles ausgleicht, was die Landstrasse so hergeben kann.
Natürlich ging es irgendwann in den “Insane Mode”. 3,1 Sekunden aus dem Stillstand auf Tempo 100 km/h – eine Gasannahme die jeden in den Sitz presst und gleichermassen – leistungsverwöhnt, wie wir sind – noch Luft nach oben für ein Plaid-Model-3 lässt. Die 460 PS sind schon sehr ordentlich, aber bis zu 741 Nm sorgen für Drehmoment in jeder Lebenslage. Und das Beste daran? Diese Leistung steht sofort und in jeder Situation zur Verfügung. Kein Turboloch, kein nerviges Schalten – nur reiner, unverfälschter Vortrieb. Drück das Pedal durch, und du wirst Zeuge davon, wie die Welt um dich herum plötzlich schneller wird. Dein Gehirn braucht einen Moment, um hinterherzukommen, während dein Nacken sich fragt, ob er auf diese Attacke vorbereitet war. Dabei bleibt das Model 3 Performance immer absolut kontrollierbar, auch wenn die Traktionskontrolle und die Winterreifen im Insane Mode alles geben, um die Leistung effizient auf die Strasse zu bringen.
Doch Tesla hat nicht nur an der Leistung geschraubt. Die besten Neuigkeiten hier sind die adaptiven Dämpfer. Und die sind wirklich richtig gut. Vergleicht man das Model 3 mit dem Vorgänger oder dem Model Y gleitet das Auto fast schon unverschämt entspannt dahin. Im Sport-Modus wird die ganze Karosse etwas straffer und rollt weniger. Die Lenkung ist direkt, wenn auch etwas synthetisch, aber das stört beim lautlosen Kurvenräubern nach einiger Eingewöhnungszeit überhaupt nicht mehr.
Jetzt ein paar kritische Punkte, weil ich nicht nur schwärmen will. Die Bremsen: Sie beissen zu und zwar ordentlich. Aber das Pedalgefühl wenn man nach dem Anbremsen noch etwas fester zudrückt? Könnte besser sein. Es fehlt einfach dieses “Ich weiss genau, was gerade passiert”-Feedback, welches nach dem initialen Pedaldruck jeweils für viel Vertrauen sorgt.
Der Track Mode – wir lieben ja solche Performance-Spielereien. Aber Tesla Schweiz hat uns für die Ausleihe klargemacht, dass wir ihn leider nicht ausprobieren dürfen. Aus Respekt haben wir uns daran gehalten. Wir können euch also nur beschreiben, was der Trackmode anbietet und nicht, wie sich das an auf der Strasse anfühlt. Laut Tesla Website soll man die Stabilitätskontrolle nach Belieben einstellen können – von voller Unterstützung bis hin zu “Ich mach das schon selbst”. Unter- oder Übersteuern? Einfach über einen Schieberegler in die gewünschte Richtung ziehen und das Auto soll dann der Auslegung zwischen Front-, Neutral oder Hecklastig folgen. Dazu gibt es einen G-Meter, Komponententemperaturen, Post-Drive-Cooling – also ein noch schnelleres Abkühlen der Komponenten nach Beendigung der Fahrt, ein Drift-Preset und einstellbare Rekuperation von 100 bis 0%. Nun, da wir das nicht ausprobieren konnten und gleichermassen sehr “gwundrig” auf diese Features sind, freuen wir uns seitens Tesla auf eine Einladung zu einem Trackday, bei denen wir diesen “Trackmode” in seiner natürlichen Umgebung “erfahren” dürfen.
Im Innenraum geht der Spass weiter. Die neue Verarbeitung ist nicht nur schick, sie ist durchdacht. Alles, was du anfasst, fühlt sich hochwertig an: vom Alcantara-Lenkrad über die Soft-Touch-Oberflächen bis hin zu den Carbon-Dekorflächen. Der zentrale Touchscreen mit 15,4 Zoll ist ein überschnelles Kommandocenter, was keine Wünsche offen lässt. Ich wünschte mir, besonders bei schneller Fahrt, ein Head-Up Display, aber Tesla hat stattdessen ein 8-Zoll-Display für die Passagiere hinten verbaut – na gut.
Ähnlich wie beim Model Y muss man an dieser Stelle anmerken, dass mich als Technikfreund die nahtlos integrierte Technik sehr fasziniert hat – Mobile App, In-Car Systeme, Schnelligkeit, Intuition – meilenweit vor den übrigen Herstellern. Endlich gibt es auch Apple Music, das lässt mich die Kritik mit dem fehlenden Apple CarPlay schnell vergessen. Das Tesla-eigene Soundsystem mit 17 Lautsprechern und 2 Subwoofern ist ebenfalls lobenswert und bietet durch das Band von klassischem Piano bis zu Trance und Hip-Hop eine tolle Bühne. Was fehlt mir? Nebst den sportlicheren Sitzen, die wir bereits lobend erwähnt haben, fehlt mir etwas mehr Liebe – die Liebe zum Detail, die dich beim Einsteigen sofort mit einem „Wow, das ist besonders!“ begrüsst und emotionale Verbundenheit schafft. Klar, das Tesla Model 3 Performance Highland ist minimalistisch durch und durch, aber genau da liegt auch die Gefahr: Es kann schnell zu nüchtern wirken.
Die Reichweite? Tesla gibt 528 Kilometer nach WLTP an. Im echten Leben – mit ein bisschen Wahnsinn zwischendurch – sind es eher 350 bis 450. Und das ist völlig okay für diese Fahrzeuggrösse und Leistung. Mit bis zu 250 kW Ladeleistung kann man in 15 Minuten wieder genug Strom für weitere 228 Kilometer nachladen. Kaffee holen, kurz etwas YouTube auf dem Infotainment-Display – und weiter geht’s.
Die Fahrassistenten müssen wir kurz erwähnen – hier gibt es Licht und Schatten. Ein grosses Plus: Im starken Schneefall hat der Tesla absolut beeindruckt. Während andere Fahrzeuge mit vereisten Ultraschallsensoren oder blockierten Lidar kämpfen, bleibt das Model 3 Performance cool. Warum? Weil Tesla komplett auf Kameras setzt, die sich hinter der Windschutzscheibe verstecken – Schnee sammelt sich hier also nicht und beeinträchtigt die Systeme auch bei starkem Winterwetter nicht. Aber, und jetzt kommt das grosse Aber: Auf Landstrassen ist der Autopilot oft eher ein Störfaktor als ein nützlicher Helfer. Gestrichelte Fahrradlinien erkennt er oft nicht oder interpretiert sie als fixe Spuren. Auf Landstrassen ohne Mittellinie fährt er zwanghaft zentriert. Arbeitet man dagegen, fühlt es sich an wie Lenkrad-Armdrücken gegen einen Baby-Schimpansen. Auf der Autobahn sieht die Sache schon besser aus, auch wenn es noch sehr viel Bings-Bongs und Unsicherheiten seitens des Systems gibt.
Der Knackpunkt ist: Wir wissen, dass Tesla besser kann. In den USA, wo das „Full Self-Driving“-Paket weiter verfeinert ist, soll das Ganze auf einem ganz anderen Level spielen. Deshalb hoffen wir auf dringend nötige Over-The-Air-Updates, die den europäischen Teslas einen ähnlichen Sprung nach vorne ermöglichen. Das Potenzial und die Hardware ist da – und wenn diese Updates kommen, könnte Tesla hier einen grossen Vorsprung gegenüber der Konkurrenz ausbauen.
Was bleibt also?
Die Entwicklungsgeschwindigkeit in der Tesla das “so-naja” erste Model 3 Performance in ein wirkliches tolles und fahraktives Fahrzeug verwandelt hat, ist atemberaubend. Wenn man in dieser Geschwindigkeit weiterfährt, werden wir noch viele tolle Fahrzeuge aus Musk’s Autoschmiede sehen. Das Model 3 Performance ist ein toller Alltagsbegleiter mit dem Potenzial am Wochenende zum Elektrosportwagen zu mutieren und das zum absoluten Kampfpreis. Kaufempfehlung: absolut!
Unser Verbrauch lag im sportlichen Schnitt bei 21.6 kWh. Der Basispreis beginnt bei CHF 56’990, mit der aufpreispflichtigen Aussenfarbe, den Winterrädern und dem Enhanced-Autopilot sind wir dann bei CHF 67’780.-