BMW hat es gewagt. Mit dem BMW i4 M50 sind sie in den Bereich der Elektrosportwagen vorgedrungen und wollen zeigen, dass sich ihre BMW M Attribute auch in einem Elektroauto verpacken lassen, wenn auch hier vorerst nur als M Performance Modell M50. Wie viel M4 wir im i4 M50 spüren und mehr, das schauen wir uns nun im Fahrbericht an.
Der 4er ist nicht nur Coupé, sondern als 4er Gran Coupé auch ein viertüriges, etwas mehrheitsfähigeres Fahrzeug und genau diese Variante hat sich BMW für seinen ersten sportlichen, rein-elektrischen Ableger ausgesucht. Als Pendant zum BMW M440i xDrive Gran Coupé fahren wir den BMW i4 M50.
Die Münchner haben zwei “BMW M eDrive” Motoren auf die beiden Achsen verteilt, somit einen variablen Allrad (xDrive) konzipiert. Dazu eine speziell für den BMW i4 konzipierte, flach und tief im Fahrzeugboden angeordnete Hochvoltbatterie mit einem Brutto-Energiegehalt von 83,9 kWh. Aussergewöhnlich: Die geringe Zellenhöhe von nur 110 Millimetern. Somit wurde der Fahrzeugschwerpunkt um 53 Millimeter tiefer angesetzt als in der “normalen” BMW 3er Limousine.
Das Datenblatt verrät, dass man im kurzfristig-verfügbaren Sport-Boost mit höchster Leistung von 544 PS und maximalem Drehmoment von 795 Nm eine Beschleunigung von null auf 100 km/h in 3,9 Sekunden schafft. Weitaus beeindruckender sind die Zwischenspurts von 60-100 km/h, 1,8 Sekunden oder 80-120 km/h in 2,4 Sekunden. Das sind Werte, die sich beeindruckend lesen, aber noch beeindruckender “zu erfahren” sind.
Warum? Der BMW i4 M50 ist kein M4. Er fährt sich deutlich entspannter. Der M4 hat ein Fahrwerk mit eingebauter Sucht nach Kurven, er giert förmlich danach und lenkt zackig, direkt und messerscharf ein, gibt Feedback und spricht mit Fahrer. Der i4 M50 und andere M Performance Modelle sind da weit entspannter. Keinesfalls träger, aber halt auch ohne dieses “Verlangen” danach. Wo der M4 der kleine ballsüchtige Terrier ist, der hin- und her tänzelt, bevor man den Ball wirft, ist der i4 M50 der entspannt-wirkende Vorstehhund, der sich kurz vor dem Loslassen anspannt und dem Ball schlussendlich mindestens genau so pfeilschnell hinterherpfeift.
Dieser Vergleich ist sehr treffend. Wenn es zählt, kann der i4 M50 richtig losschiessen, ansonsten ist er zwar stets angespannt, aber das perfekte Alltagsfahrzeug. Die Dämpfer suchen intensiv den Kontakt zur Strasse, das zusätzlich Gewicht (2,2 Tonnen Gesamtgewicht) gibt ihm eine gewisse Ruhe, besonders auch bei hohen Geschwindigkeiten. Das hohe Gewicht und die Elektroarchitektur haben dafür gesorgt, dass kaum noch 4er Gran Coupé Fahrwerksteile übrig geblieben sind. Neu konzipiertes adaptives M Fahrwerk mit Doppelgelenk-Federbein-Vorderachse und Fünflenker-Hinterachse. Ebenfalls ein Novum im 4er: Hubabhängige Stossdämpfer und Hinterachs-Luftfederung serienmässig.
Die Luftfederung an der Hinterachse ist im Alltag spürbar, da sie besonders nach Bodenwellen nachschwingt und gefühlt noch der ganze Hinterwagen etwas hoch- und runterschwappt – als hätte man ein halb-gefülltes Glas Wasser auf einer Wanderung dabei. Stört eigentlich nur bei langsam gefahrenen, hohen Bodenwellen, ansonsten können wir keine Kritikpunkte feststellen.
Die Lenkung ist typisch BMW – direkt, transparent und auch Korrekturen während einer zügigen Kurvenfahrt sind durch die gute Rückmeldung einfach möglich. Auch mit dem höheren Gewicht ist die Verwindungssteifigkeit weiterhin sehr gut – mit ein Grund dafür sind Streben zwischen beiden Fahrzeugseiten, dort wo in den Verbrenner 4er der Motor sässe.
Aussencheck. Gegenüber seinem Verbrenner-Bruder erkennt man den i4 M50 an einer weitgehend geschlossenen Fahrzeugfront und der markanten 4er-BMW-Niere, die Kamera-, Ultraschall- und Radarsensorik beeinhaltet. Flache Scheinwerfer, optional mit BMW Laserlicht.
Weiter gibt es Designelemente in Cerium Grey und einen dezenten M Heckspoiler. Ansonsten bleiben viele schöne Aspekte des 4er GCs bestehen. Rahmenlose Fenster, grosse, freischwingende Heckklappe, tolle Seitenlinie, schwungvolles Heck mit einem Diffusor, da wo sonst die Auspuffrohre enden würden. Gefällt.
Klang. Ein kontroverses Thema. Aussen ist bis 35 km/h das obligatorische und unspektakuläre Fussgänger-Warnsignal wahrzunehmen, im Innenraum ist das jedoch ganz ein anderes Spiel. BMW hat mit dem weltberühmten Komponist und Oscar-Preisträger Hans Zimmer an “Iconic Sounds” gearbeitet, die je nach Fahrmodus ein unterschiedliches Klangbild abgeben. Nun, normalerweise höre ich mir das auf dem Weg zurück von der Fahrzeugabholung für 15 Minuten an und deaktiviere es dann für immer.
Hier blieb es die volle Testdauer aktiviert. Warum? Für mich lag der Schlüssel in zwei Elementen, einerseits hat es sich bei gleichbleibender Gaspedalstellung auf einer eintönigen Strecke geradeaus nicht angehört, als wäre ich ein Fahranfänger, der dringend hochschalten müsste und andererseits war es, trotz gleichem Fahrmodus, bei jedem Beschleunigungsvorgang individuell. Ja ich muss gestehen, es waren die ersten “Fake Sounds”, die ich gut finde. Vielleicht weil sie eben nicht den Verbrenner nachstellen wollten, sondern etwas “eigenes” und “individuelles” aufgezeigt haben. Hier gibt es eine Kostprobe:
Der Innenraum ist BMW gewohnt aufgeräumt. Klassische Mittelkonsole weiterhin mit iDrive-Bediencontroller, während das neue BMW Curved Display perfekt auf den Fahrersitz ausgerichtet ist und die Bedienung des Touchscreens durch die Nähe zum Lenkrad auch ergonomisch ein Fortschritt ist.
Die optionalen M Sportsitze gefallen sehr gut. Sie sind sportlich geformt, haben Schalensitzcharakter und überzeugen mit Seitenhalt, Komfort und einem beleuchteten M Logo in der Kopfstütze. Die Elektroattribute sind schnell erreichbar und gleichermassen nicht störend, die IconicSounds an- und abschalten geht kinderleicht, die Rekuperation und das One-Pedal-Driving anzupassen ist ebenfalls schnell zu finden. Es ist halt erst ein BMW und dann ein Elektroauto. Wer sich in einem aktuellen BMW zurecht findet, kann auch hier direkt einsteigen und fahren – sehr umsteigerfreundlich – das gefällt mir.
Bis zu 40 Assistenzsysteme sind an Bord und das funktioniert alles wie es sein sollte. Lobenswert ist die anpassbare Toleranz beim prädikativen Geschwindigkeitsassistenten. Dieser “liest” die Verkehrsschilder voraus und passt die Geschwindigkeit automatisch an das neue Tempolimit an. Bei BMW lässt sich da nun zwei Toleranzbereiche einstellen, einmal unter 60 km/h und einmal darüber. Sehr sinnvoll und lobenswert. Tempolimit +5 km/h ist auf der Autobahn bei 120 im/h deutlich harmloser als in einer 30er Zone.
Die weiteren Elektroauto-Attribute. Die Batterie hat brutto 83,9 kWh, netto, 80,7 kWh. Sie lädt mit bis zu 205 kW an einer Schnellladestation auf, BMW gibt den Verbrauch mit 18,0 bis 22,5 kWh/100 km – ich habe bei 15 Grad Aussentemperatur auch 15,3 kWh/100 km geschafft, allerdings im sehr entspannten Vorwärtskommen. Fährt man ohne Rücksicht auf den Stromkonsum “normal”, lag der Verbrauch bei mir knapp über der 22 kWh-Grenze und somit hat meine maximale Reichweite jeweils zwischen 360 und 410 km variiert. Mit mehr Ecodriving wäre bestimmt auch mehr drin, aber reizt man die Reichweite regelmässig aus, lohnt sich auch ein Blick auf den schwächeren Bruder i4 eDrive 40, der mit 491 – 589 km ggü. 414 – 520 km (M50) deutlich weiter kommen will. Beide Angaben sind WLTP Herstellerwerte.
Was bleibt also?
Der BMW i4 M50 ist ein gelungener Elektrosportwagen. Ein formschönes Gran Coupé mit grossartigem Durchzug, der mit den IconicSounds neue Ideen auf die Strasse bringt und mit genügend Restkomfort im Alltag punktet. Mir gefallen zudem die kompakte Auslegung und die BMW Attribute, die es bestehenden BMW-Kunden einfacher macht, von einem Verbrenner umzusteigen. Letzter Punkt: Die Optik ist nahe am Verbrenner und weit zurückhaltender als beispielsweise beim kontroversen iX. Wer allerdings einen elektrischen, kurvengierigen BMW M4 sucht, ist hier falsch. Das ist ein gelungenes “M Performance” Fahrzeug, aber kein Produkt der M GmbH.
Der Verbrauch lag im sportlichen Schnitt bei 21,3 kWh / 100 km. Der Basispreis für den BMW i4 M50 liegt bei CHF 86’900.-. Unser Testwagen mit optionaler Aussenfarbe “BMW Individual Frozen Portimao Blau” liegt bei CHF 113’340.-.
Der OneMoreLap-Konfigurationstipp:
BMW Individual Tansanitblau Metallic, 19″ M LM-Räder Doppelspeiche 861 M Bicolor / MB und Sportreifen, M Interieurleisten Carbon Fibre, M Hochglanz Shadow Line mit erweiterten Umfängen, M Leuchten Shadow Line, M Sicherheitsgurte, M Sportbremse rot hochglänzend, Sonnenschutzverglasung, M Sportsitze für Fahrer und Beifahrer, M Carbon Exterieurpaket, Leder ‘Vernasca’ Schwarz/Kontraststeppung Blau (SW)
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