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smart #3 Brabus im Test – ein Crossover-Elektrosportwagen?

Wie sehen Überraschungen aus? Wie sieht ein ignorierter Underdog aus? Bühne frei für den smart #3 Brabus in “Photon Orange Metallic”. Meine persönliche Überraschung von 2024. Warum? Wie es sich fährt und warum ich die schwachen Verkaufszahlen nicht verstehen kann – erkläre ich euch jetzt.

Der Smart, geboren aus der Zusammenarbeit von Mercedes-Benz und der Schweizer Uhrenmarke Swatch, hat sich seit seiner Markteinführung 1998 stets als Pionier im urbanen Kleinwagenmarkt präsentiert. Das ursprüngliche Konzept war es, ein kleines, wendiges und vor allem umweltfreundliches Fahrzeug für die Stadt zu schaffen. Seit der Neubelebung der Marke mit den Modellen #1 und #3 ist zwar die knuffige, aber ikonische Zweisitzer-Kugel verschwunden, aber dafür haben wir Kompaktwagen bekommen, die stark an EQA (#3) und EQB (#1) von Mercedes-Benz erinnern.

Die Abholung erledigt – eingestiegen und eingerichtet. Wow. Das passiert selten – der erste Eindruck flasht mich gerade total. Der Verkäufer erwähnt noch einige Details zum Fahrzeug, während meine Finger über das Alcantara-bezogene-Lenkrad gleiten und ich etwas im Sitz hin- und her rutsche. Das kann ja gut werden – also los.

Startknopf? Fehlanzeige. Um mit dem Smart #3 loszufahren, braucht es nur ein Ziehen am Getriebewahlhebel auf “D” oder “R” und dann geht es in die gewählte Richtung – vorwärts oder rückwärts. Die Fahrt nach Hause führt durch etwas Stadtverkehr, etwas Autobahn, zum Schluss einen Hauch Landstrasse. Genug, um mal alle Modis durchzuprobieren und einen gemässigten Verbrauchsdurchschnitt zu ermitteln.

Also Schnelldurchlauf. Im „Comfort“-Modus ist der Smart #3 Brabus angenehm zu fahren, mit gedämpfter Leistung und sanfter Lenkung – perfekt wenn die Oma mitfährt – ansonsten etwas zu lahm. Im „Sport“-Modus lebt es sich ganz ordentlich – die Leistung wird schneller freigesetzt und die Lenkung wird direkter. Für uns zentral ist der „Brabus“-Modus, der alles auf maximale Performance trimmt. Fehlt mir hier die Möglichkeit, einzelne Parameter individuell zu justieren? Nein, ausnahmsweise nicht. Das Fahrwerk ist nicht adaptiv und somit immer gleich. Gibt es Grund zur Kritik? Nein. Ich nenne es “das Ford-Gefühl”. Warum? Selbst in Brot-und-Butter-Autos hat Ford immer sehr gute, sehr ausgewogene und sehr kommunikative nicht-adaptive Fahrwerke verbaut. Hier ist es genau so.

Andere Parameter, wie der künstliche “Motorsound” lassen sich zwischen „Aus“, „smart Original“ oder „Klassik“ auswählen, allerdings abgekoppelt von dem aktuell-angewählten Fahrmodus. Die Soundeffekte sind zwar weniger dröhnend als noch beim Abarth 500e, aber auch nicht so packend, witzig oder unterhaltsam, dass man sie aktiv lässt.

Die Landstrasse ruft und die 428 PS und 543 Nm werden von der Kette gelassen – die 1.9 Tonnen werden dank aggressivster Pedalkennlinie im Brabus-Modus überfallartig auf die Strasse geworfen, so dass es die reinste Freude ist. Wenn man möchte, beschleunigt der Smart #3 Brabus von 0 auf 100 km/h in nur 3,7 Sekunden. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt 180 km/h.

Kurven meistert der “kleine, grosse” Smart sehr gut. Zusammenbremsen, einlenken, Kopf an die hervorragend ergonomisch positionierte Kopfstütze anlehnen und dank Allrad ohne Schlupf mit voller Kanne aus der Kurve schiessen. Das hat grosses Suchtpotenzial und die “OneMoreLap“-Philosophie kam erst so richtig zum Tragen, als ich bei meiner Fotorunde immer weiter und weiter gefahren bin, obwohl ich eigentlich alle Fotos längst “im Kasten” hatte. Das ist das wohl grösste Kompliment an ein Fahrzeug, wenn Fahrfreude die eigentliche Wegstrecke immer und immer länger macht. Wow, auch jetzt, wenn ich diese Zeilen zusammentippe – erinnere ich mich gerne und mit etwas Wehmut an den Brabus – das ist selten.

Wir sprechen hier übrigens noch immer über ein SUV-Coupé / Crossover für unter 50’000 CHF und dafür liefert dieses Fahrzeug ab, dass es auch das doppelte Kosten dürfte, wie es beispielsweise ein GLA 45 macht. Ein Elektrosportwagen-Beispiel gefällig? Ein Taycan 4S beschleunigt identisch schnell auf 100 km/h und kostet ab CHF 137’000 – über die Aufpreispolitik aus Zuffenhausen müssen wir gar nicht erst sprechen. Der Smart als #3 Brabus kommt in einer Vollausstattung, nur die Farbe ist wählbar (ohne Aufpreis) und entstand aus einer gemeinsamen Entwicklung von Geely in Hangzhou (China) und Mercedes-Benz in Stuttgart. Das Pressedossier sagt: “Designed by Mercedes, Developed by Geely” – das Resultat ist prima und das ist was am Schluss zählt.

Ein weiteres Highlight des Smart #3 Brabus ist die Optik. Während alle Elektrofahrzeuge aus Stuttgart (bis auf den neuen G580) ein Design tragen, als wären sportliche Linienführungen und charaktervolle Kanten strengstens verboten und stattdessen der Stern sich in einem aufgeblähten Wal wiederkennen möchte, wird hier auf ein sehr sportliches, eigenständiges und muskulöses Aussendesign gesetzt.

Markante LED-Scheinwerfer mit durchgehenden Tagfahrleuchten vorne und hinten, rote Bremssättel, dazu sportliche 20-Zoll-Leichtmetallräder, eine «Shark Nose» vorne die mich etwas an den Ferrari Roma erinnert, ein Lufteinlass auf der Haube, ein sportlicher Diffusor am Heck, ein grosser Heckspoiler mit schwarzer Abrisskante, dazu ein absoluter Verzicht auf Chromelemente und stattdessen feine farbige Akzente, die zum markanten Brabus-Schriftzug passen. Gefällt!

Im Innenraum des Smart #3 Brabus setzt sich das sportliche Gefühl fort, das man bereits von aussen spürt. Das Cockpit nimmt die dynamischen Formen auf und punktet mit beleuchteten Luftauslässen, die an Turbinen erinnern und verbindet das geschwungene Armaturenbrett mit dem zentralen 12,8-Zoll-Bildschirm. Das grosszügige Glasdach “Haloroof” ist ein weiterer Wow-Faktor, der mir sehr gefallen hat. Ebenfalls positiv aufgefallen ist das 10-Zoll Head-up-Display, welches den etwas überfrachteten kleinen Bildschirm hinter dem Lenkrad überflüssig macht.

Die sportlichen Schalensitze, die in der GLA-AMG-Line ihre Ursprünge hatten, bieten optimalen Komfort, Belüftung und festen Seitenhalt, während die bereits erwähnten, integrierten Kopfstützen die sportliche Ergonomie sehr unterstützen. Die Sitze sind mit Mikrofaser und Kunstleder bezogen und durch den ganzen Innenraum führt eine auffällige rote Naht, die alle sportlichen Bauteile nochmals deutlich akzentuiert.

Die Materialqualität im Innenraum ist gut, alles was man regelmässig anfasst, besteht aus hochwertigen Materialien, sei es das Alcantara-Lenkrad oder die Soft-Touch-Oberflächen. Nur an wenigen Stellen, wie beispielsweise in den Türtafeln, findet man Hartplastik – ein kleiner Kompromiss in einem ansonsten sportlichen Ambiente.

Das Infotainment-System, das über den zentralen Bildschirm gesteuert wird, bietet zahlreiche Funktionen und Individualisierungen durch konfigurierbare Widgets, ist jedoch teils verschachtelt aufgebaut, was die Bedienung während der Fahrt etwas herausfordernd machen kann. Dafür ist die Apple CarPlay-Integration hervorragend umgesetzt und sorgt für eine grossflächige Darstellung. Ein witziges Detail des Systems ist der animierte Leopard, der im Display auftaucht und beispielsweise im Klimamenü symbolisch mit kühler Luft versorgt wird, wenn die Kühlung aktiviert wird – eine unterhaltsame und originelle Idee, die im Smart #1 noch durch einen Fuchs dargestellt wurde. Musikgenuss gibt es über eine gute, aber basslastige Beats®-Soundanlage mit 13 Lautsprechern. Eine Wärmepumpe ist auch serienmässig an Bord, die sowohl Heizung als auch Kühlung optimiert. Ebenfalls lobenswert sind die adaptiven Matrix-LED “CyberSparks+ Matrix LED”, die entgegenkommende Fahrzeuge ausblenden.

Die Fahrassistenten lassen sich über lobenswert grosse und einfach zu bedienende Tasten am Lenkrad bedienen. Kein Touch. Sehr gut. Der “smart Pilot Assist”der in Kombination mit dem adaptiven Tempomat (ACC) mit Stop & Go-Funktion und dem aktiven Spurhalteassistenten arbeitet, hält den #3 zwischen 0 und 130 km/h verlässlich in der Spur und mit genügend Abstand zum Vordermann. Der Smart #3 ist OTA-fähig, also offen für Updates-over-the-air.

Der Smart hat eine angegebene Reichweite von 415 Kilometern (WLTP). Diese ist aber sehr stark von der Fahrweise abhängig – wer die volle Leistung des Brabus-Modus häufig nutzt, wird realistisch gesehen eher bei 250 bis 300 Kilometern landen. Mit einer Bruttokapazität der Batterie von 66 kWh, von denen 62 kWh nutzbar sind, bietet der Smart #3 eine akzeptable Reichweite – jedoch sollten Personen, die Reichweite über Fahrspass setzen zur Pro, Pro+ oder Premium Variante greifen, die zwar weniger Leistung bieten, aber dafür aus einer Batterieladung mehr Reichweite extrahieren.

Interessanterweise lässt sich der Smart #3 Brabus auch sehr sparsam fahren. Bei zurückhaltender Fahrweise kann der Verbrauch auf etwa 15 kWh/100 km gesenkt werden. Wird jedoch regelmässig die volle Leistung abgerufen, liegt der Verbrauch deutlich höher. Im sportlichen Mix war ich bei etwa 25 kWh/100 km.

Der Wagen kann mit bis zu 150 kW geladen werden, was in etwa 30 Minuten eine Aufladung von 10 auf 80 Prozent ermöglicht. Im Standard-AC-Bereich lädt der Smart #3 Brabus mit bis zu 22 kW.

Bevor wir zu unserem Fazit kommen, müssen wir noch über den “Elephant-in-the-Room” sprechen. Januar bis Juli 2024 hat Smart gerade mal 298 #1 und 201 #3 verkauft. Im Gegensatz dazu hat Volvo 1’738 Einheiten von ihrem elektrischen EX30 abgesetzt, VW mit dem ID 3 1’038 und sogar Honda liegt mit dem e:Ny1 (214 Stück) vor dem Smart #3. Ein Trauerspiel um ein wirklich tolles Auto. Woran liegt das? Im Uhrenland Schweiz verknüpft man Smart mit dem Hayek-Swatch-Konzept der zweisitzigen Knutschkugel und nicht mit einem Crossover. Alle Personen, die ich angetroffen, mitgenommen oder darauf angesprochen habe, haben das Auto nicht als Smart identifizieren können. Das “klickt” irgendwie noch nicht bei Herr und Frau Schweizer. Vielleicht wäre es Zeit gewesen, eine komplett neue Marke zu etablieren? Smart oder nicht smart – das bleibt die abschliessende Frage. Schade um das tolle Fahrzeug!

Was bleibt also? Der Smart #3 Brabus ist ein sehr sportliches Elektro-SUV-Coupé, das in Sachen Design, Fahrspass und Technologie sehr gefällt und die Messlatte für die Konkurrenz deutlich höher ansetzt, insbesondere mit Blick auf den Preis. Die Preis-Leistung ist phänomenal. Das Fahrerlebnis eine runde Sache mit viel Sportsgeist und die Detailverliebtheit kennen wir sonst nur von MINI, die aber im 400+ PS Feld noch kein Fahrzeug haben. Absolute Kaufempfehlung.

Der Verbrauch liegt im alltäglichen Durchschnitt bei 19.7 kWh/100 km und der Preis (vollausgestattet) in der Brabus-Line liegt bei CHF 48’980.–.

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